Seelenfalle: Thriller (German Edition) by Eva Lirot

Autor:Eva Lirot [Lirot, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: UNKNOWN
veröffentlicht: 2016-09-02T22:00:00+00:00

21

Im Labyrinth ...

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Minuten? Stunden?

Das Kriegsgeheul des alten Indianers war längst verstummt. Sie rührte sich vorsichtig, merkte, dass ihre Glieder nicht sehr beweglich waren und schmerzten wie bei einem schweren Muskelkater. Sie wagte sich aus ihrer Deckung hervor und riskierte einen Blick über den Sockel. Darauf gefasst, abermals etwas ganz Schlimmes zu sehen.

Die Kerzen brannten noch. Ansonsten war dieser Höhlenabschnitt leer, der die Kulisse geboten hatte für das abartige Opferritual, dessen Zeuge sie wurde. Da war niemand. Kein alter Mann. Kein Junge. Und auch kein schöner Teufel.

Sie sank auf den steinigen Boden zurück. Kauerte sich in sich zusammen und hustete trocken, ihr Gesicht in den Händen vergraben. Sie hatte es doch mit ihren eigenen Augen gesehen! Das Blut, das der schöne Teufel getrunken hatte. Blut, das von einem bis vor kurzem noch schlagenden Herzmuskel stammte. Der Junge hatte das Organ gebracht und in das Gefäß gelegt, das der Teufel in den Händen gehalten hatte. Es war herausgefallen, nachdem er das Gefäß von sich geschleudert hatte. Es war ihr genau ins Sichtfeld gerollt, das herausgetrennte Organ.

Ein Menschenherz. Ihre anatomischen Kenntnisse hatten gereicht, um das gleich zu erkennen.

Sie griff sich an die linke Brust, meinte, einen brennenden Schmerz wahrzunehmen. Wie von einem scharfen Messer verursacht, das tief ins Gewebe rund um ihren Herzmuskel schnitt. Sie atmete stoßweise, hechelte. Sie hatte das Gefühl, in einem luftleeren Raum um die eigene Achse zu rotieren.

Sie erbrach sich. Spuckte einen Schwall Galle aus. Der beißende Geschmack in ihrer Mundhöhle und Kehle überlagerte alles andere. Die Rotationen hörten langsam auf. Wie bei jemandem, der zu viel Alkohol getrunken hatte, alles rauskotzte und seinem geschundenen Körper dadurch etwas Erleichterung verschaffte.

Sie atmete flach. Den starren Blick ins Dunkel gerichtet, in das der Verbindungspfad sie führen würde. Ein Pfad zu anderen Höhlenlöchern, aus denen es anscheinend keinen Ausgang gab. Zumindest keinen, den sie finden könnte.

Sie wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Spürte, wie die Verzweiflung in ihr hoch kroch und von jeder Zelle ihres Körpers Besitz zu nehmen schien.

Waren es vielleicht doch nur Wahnvorstellungen gewesen? Und es hatte gar kein Opferritual gegeben? Kein herausgetrenntes Herz? Und keinen schönen Teufel? Keine Mitgefangenen? Keinen grünen Brei? Phantasierte sie alles nur zusammen? Und war gar nicht gekidnappt worden – sondern hatte sich selbst verlaufen?

Sie presste beide Hände an ihre Schläfen und schloss die Augen. Versuchte, einen möglichst klaren Blick ins Innere ihres Schädels zu bekommen. Bemüht, dem Schluckimpuls, der einen heftigen Hustenanfall nach sich ziehen würde, zu widerstehen.

Sie war auf dem Highway unterwegs gewesen. Eine endlos lange Straße, nur von Wäldern umgeben. Bergmassive am Horizont, deren Gipfel in den tief hängenden Wolken verschwanden. Die Tankanzeige bei ihrem Mietwagen hatte den Reservebereich erreicht gehabt, und ihr war es langsam warm geworden. Irgendwann hatte sie sogar angefangen, zu bereuen, dass sie sich geweigert hatte, den Wucherpreis zu bezahlen, den der unfreundliche Werkstattbesitzer ihr abknöpfen wollte. Sie sah sich selbst deutlich vor sich, wie sie mit wachsendem Entsetzen verfolgt hatte, wie die Tanknadel im Reservebereich immer weiter sank.

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